Brooms Down VII

Refstil: Die eiserne Faust

Ich habe sicherlich den Ruf ein sehr strikter Referee zu sein, der sich sehr stark an die Regeln hält. Ein Ref, der lieber eine Karte gibt, als eine Warnung. Ein Ref, der kein Problem damit hat, auch mal vier Australier gleichzeitig in die Box zu stecken.

Mein Stil hat sich in den letzten Monaten etwas verändert. Ich bin etwas weniger strikt geworden und gebe deutlich mehr Warnungen. Irgendwann später wird es hier sicherlich auch nochmal einen Beitrag dazu geben, wieso und wann es gut ist, Milde walten zu lassen. Ich möchte trotzdem allen neuen Referees nahelegen erst einmal streng zu sein. Dieser Stil hat viele Vorteile.

  1. Ihr seid hart aber gerecht:

Wenn ihr euch konsequent strikt an die Regeln haltet, seid ihr automatisch fair. Jede Spielerin, die einen Verstoß begeht, bekommt eine entsprechende Karte.

  1. Die Teams wissen, was sie erwartet:

Wenn ihr streng seid, ist es für die Teams sehr einfach einzuschätzen, welche Fouls ihnen eine Karte einbringen: Alles, was laut Rulebook eine Karte verdient. Ich erinnere mich da zum Beispiel an den Valentines Cup 2017. Ich durfte das schwarze Team zweimal pfeifen. Im ersten Spiel habe ich dem Team acht Karten gegeben, mindestens ein Mal gelb-rot. Im zweiten Spiel haben sie sich angepasst und keine einzige Karte bekommen. Ich beobachte immer wieder, dass sich Teams, die mich kennen, weniger Karten einhandeln, als Teams, die mit mir zum ersten Mal einen strengen Schiedsrichter erwischen. Im Endeffekt macht ihr es den Teams also mit diesem Stil sehr einfach.

  1. Euer Ruf eilt voraus:

Strenge Schiedsrichterinnen haben meistens recht schnell die Reputation - Überraschung! - streng zu sein. Wenn viele von ihnen diesen Ruf teilen, dann profitieren alle davon. Wenn ein Referee direkt neben Spielerinnen steht, die gerade um einen Ball kämpfen, kommt es zu dem selben Effekt. Sie wissen, dass sie beobachtet werden und achten deutlich mehr darauf, dass der Kontakt sauber bleibt. Genau das Gleiche passiert, wenn sie wissen, dass sie eine strenge Schiedsrichterin haben. Wenn ihr zudem irgendwann etwas großzügiger werden solltet, arbeitet diese Reputation weiter für euch, da Spieler immer noch wissen, dass euch keine Fouls entgehen und sie daher vorsichtig bleiben.

  1. Ihr macht es euch nicht unnötig schwer:

Ich glaube, das ist der wirklich wichtige Punkt: Wenn ihr euch als strengen Ref definiert, fällt es euch verhältnismäßig leicht eurem Stil treu zu bleiben. Ihr orientiert euch Wort für Wort an genau den Regeln, die das Rulebook euch gibt. Das mag manchmal nervig sein, aber ihr habt damit eine klare Linie, an die ihr euch halten könnt, und die Teams wissen, was sie erwartet. Seit ich on pitch weniger streng entscheide und mehr Verwarnungen etc. gebe, merke ich, wieviel schwieriger es dabei für mich ist diese klare Linie zu halten. Das erfordert viel Konzentration, weswegen ich dazu neige automatisch zu meinem alten Stil zurückzukehren, wenn ich an einem langen Turniertag langsam müde werde.

  1. Niemand kennt die Regeln besser als ihr:

Dieser Stil erfordert natürlich auch eine solide Kenntnis des Regelwerks. Diese sollte aber für alle Refs ohnehin obligatorisch sein. Ich finde es sehr kritisch, wenn Referees den Call “no harm no foul” nutzen, um ihre eigene Unwissenheit zu überspielen, obwohl das beobachtete Foul den Spielverlauf durchaus negativ beeinflusst hat. Diese Referees neigen im Nachhinein auch dazu, gar nicht zu wissen, welche Strafe richtig gewesen wäre. Es wird sie auch niemand konkret darauf hinweisen. Eine strenge Schiedsrichterin, die einen falschen Call macht, wird danach erfahrungsgemäß viel eher darauf hingewiesen und kann beim nächsten Mal den richtigen Call machen, hat also ihre Regelkenntnisse verbessert. Darüber hinaus verbessert sich auch das (mitunter unterirdische) Regelwissen der Spieler. Beim EQC 2018 gab es da ein englisches Team, das total verwirrt davon war, dass sie absteigen mussten, wenn sie doch an ihren Hoops gebeatet wurden und diese direkt berühren konnten. Die Aufforderung zum repeat führte zu großer Verwirrung. Bei einem neuen Team kann das natürlich mal vorkommen, aber bei einem EQC-Team der ältesten europäischen NGB? Da sollte das eigentlich klar sein. Durch Nachsichtigkeit lernen die Spieler nichts.

Aber worauf müsst ihr achten, wenn ihr euch für einen strengen Stil entscheidet? Zuerst einmal müsst ihr euch damit abfinden, dass es Spieler geben wird, die das doof finden. Das hat verschiedene Gründe, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Es wird Leute geben, die euch für diesen Stil kritisieren, damit müsst ihr lernen umzugehen. Ich weiß, dass das schwer ist. Aber ich glaube gerade für neue Referees fällt das Gesamturteil mit diesem Stil besser aus, als ohne. Ich werde vor Spielen gerne mal gefragt, ob ich in diesem Spiel mal keine Karten geben könne. Meine Antwort darauf ist immer dieselbe: “Wenn ihr euch an die Regeln haltet, gibt es keine Karten, es liegt also bei euch.”

Es ist auch sehr wichtig, euch nicht von Spielerinnen belabern zu lassen - bei diesem Stil noch mehr als bei allen anderen. Hier muss ich auch sagen, dass sich die Ref-Community im Laufe der letzten Jahre deutlich verbessert hat. Am Anfang konnte ich als Speaking Captain noch deutlich mehr drehen, als es jetzt möglich ist. Dies ist bei diesem Stil aber besonders wichtig, da ihr mehr Karten verteilen werdet, als andere Schiedsrichterinnen. Außerdem ist hier wichtig, dass ihr die Karten, die ihr verteilen wollt, auch verteilt. Ist ein Spieler anderer Meinung, dann ändert euren Call nur, wenn ein Assistant oder Snitch Ref diese Meinung bestätigt. Ein anderer wichtiger Aspekt, den es zu beachten gilt, sind Spiel-Unterbrechungen. Diese müsst ihr so kurz wie möglich halten, da es viele davon geben wird. Vor dem World Cup 2016 wurde gesagt, dass für die meisten Unterbrechungen 60 Sekunden ausreichen müssen. Ich denke, dass selbst diese Zeit noch zu hoch geschätzt ist. Klar gibt es manchmal mehr mit eurem Ref-Team zu bereden und Unterbrechungen, bei denen drei oder mehr Karten verteilt werden, dauern natürlich auch etwas länger. Aber ihr solltet meistens unter 30 Sekunden bleiben.

Ich habe es unter Punkt 5. schon angesprochen, aber auch hier möchte ich es wiederholen: Lest das Regelwerk! Ansonst werdet ihr diesen Stil nicht hinbekommen. Ihr könnt die Regeln nur hart durchsetzen, wenn ihr sie auch kennt. Natürlich werdet ihr euch manchmal unsicher sein. Wichtig ist es, im Spielverlauf bei der Auslegung zu bleiben, die ihr in diesem Spiel bereits verwendet habt. Nach dem Spiel solltet ihr die Regel dann direkt nachschauen bzw. mit anderen Schiedsrichterinnen abklären.

Zum Schluss noch eine kleine Faustregel: Wenn ihr euch nicht sicher seid, ob das ein Foul war, war es vermutlich eins.

Gezeichnet,

Lord Commander

Editorial: Brooms Down ist eine Serie von Niklas Müller, der als zertifizierter Headref und Fieldtester auf Erfahrung aus nationalen und internationalen Turnieren zurückgreifen kann.