Brooms Down I

Assistant Referee (AR) Lektion 1: Bewegung

"Ich dachte ARs dürfen nur am Rand laufen, das machen die immer bei den Spielen." Das ist ein sehr trauriger Satz, denn diese Vorstellung steckt noch in vielen Köpfen und wird leider an neue motivierte Referees weitergegeben. Aus diesem Satz spricht Inkompetenz. Und wenn wir ehrlich sind, sind die meisten Refs in Deutschland, ja sogar Europa inkompetent.

Das ist aber nicht ihre Schuld. Die meisten von uns, mich eingeschlossen, bringen keine Schiedsrichter-Erfahrung mit in den Sport, der ja an sich noch sehr jung ist. Sie machen das zum ersten Mal und können auf nur wenige Vorbilder oder Übungsmaterial zurückgreifen. In Deutschland sind selbst die "aktuellen" Refs noch neu. Zwar nicht so neu, wie der Autor des ersten Satzes hier, der noch sein erstes offizielles Spiel vor sich hatte, aber um zu den "aktuellen" zu gehören reichen momentan schon 10-20 gereffte Spiele. Und wenn man nicht als non-playing Ref auf Turniere fährt, sind selbst 20 Spiele in einer Saison schwer zu erreichen. Wir haben also oft eine Situation in der der Einäugige den Blinden führt.

Aber wie können wir das Problem lösen? Nunja, einfach in dem wir alle besser werden. ;-) Ich fürchte zwar, dass die meisten, die das hier lesen, nicht die schlimmsten Refs sind, denn HEY, den ersten Schritt habt ihr schon geschafft, ihr wollt euch verbessern! Das ist wichtig und leider muss man immer weiter an sich arbeiten, um immer besser zu werden. Ich werde versuchen euch dadurch zu helfen indem ich hier ein paar meiner Erfahrungen teile. In diesem Eintrag soll es erst einmal um ARs gehen, aber keine Sorge, meine lieben HR Kollegen, für euch wird es auch noch Beiträge geben. Bis dahin, schaut euch auch die AR-Beiträge an, wer weiß in welchem Finale man doch mal als AR landet.

Beginnen wir vorne und das heißt nicht vorne im Spiel, sondern hier im Artikel: Ihr dürft überall hinlaufen. Es gibt keine Beschränkungen für euch. Am vergangenen Wochenende war der EQC, ich war HR und lief mal wieder einem Drive hinterher. Der Drive ging komplett über die linke Flanke, so weit, dass kein Beater links vom Drive stand. Nur der AR stand natürlich dort, festgekettet an die Soft Boundary... mit den 2 defensiven und 2 offensiven Chasern standen inklusive mir 5 Personen im Sichtfeld des AR. Er war in diesem Moment also tendenziell recht nutzlos. AR dürfen keine Angst haben, Chaser im Rücken zu haben. Bewegt euch zu den Beatern, habt einen guten Winkel. Das heißt aber nicht, dass es immer gut ist, nach vorne zu preschen. Ihr habt hinten keine Augen, versucht also darauf zu achten, was hinter euch passieren könnte. Es passiert leider sehr oft, dass gerade Beater die an der Hard Boundary um einen Ball kämpfen unbeobachtet sind. Hier ist natürlich auch Kommunikation unheimlich wichtig. Beater in eurem Rücken sind kein Problem, wenn ein anderer Ref sie beobachtet. Kommuniziert miteinander und wenn es nur durch kurze Blicke ist. Aber ihr dürft natürlich auch miteinander reden. Dafür ist in der Realität aber leider auch oft keine Zeit und daher solltet ihr versuchen auch auf die anderen AR zu achten. Ja, ich gebe zu, wieder eine Sache mehr auf die man achten muss, aber es lohnt sich. Auf diese Weise könnt ihr nämlich mehr Dinge, die auf dem Spielfeld passieren, beachten. Bei jedem Beaterbattle ist schon ein AR? Dann schaue ich mal, was in der Team Bench passiert oder ob der Chaser, der eben gebeatet wurde, die Knockout-Procedure richtig macht (Ernsthaft, ich habe bei meinem einen AR Game am Wochenende darauf geachtet... so viele machen das falsch...). Wir werden nie das ganze Feld betrachten können, aber wir können es versuchen.

Ok, da es für Bewegung unheimlich wichtig ist, ob ihr alleine oder zu zweit eine Seite habt, rede ich auch noch kurz darüber. Im Idealfall gibt es vier ARs für die gesamte Spieldauer. Zwei auf jeder Seite. Es hat sich aber irgendwie eingebürgert, dass 3AR+1AR/SR das Mittel der Wahl ist. Nun gut, immerhin für die ersten 18 Minuten haben wir dann vier AR. Hier vielleicht eine kleine Empfehlung für die HRs: den SR immer auf die den Team Benches gegenüberliegende Seite packen. Auf diese Weise ist die Seite mit den Team Benches immer noch von zwei ARs abgedeckt und diese können besser kontrolliert werden. Zusätzlich neigen Schnätze auch dazu sich möglichst weit von dem Ort fernzuhalten, an dem neue Sucher das Spiel betreten können. Ab Minute 33 müssen sie das dann sogar. Es bleibt also oft bei einem ausgewogeneren Ref-Verhältnis.

Aber gut, zurück zu den AR. Im Endeffekt seid ihr immer entweder alleine oder zu zweit auf einer Seite. Gerade am Anfang seid ihr hoffentlich öfter zu zweit da. Das macht nämlich vieles einfacher, da ihr euch, wie oben schon erwähnt, die Aufgaben teilen könnt. Wichtig ist aber auch hierbei, dass für euch die Mittellinie keine Grenze ist! Es kommt durchaus vor, dass alle zwölf Spieler in der gleichen Hälfte sind, was wollt ihr dann in der anderen? Die Hoopline ist ebensowenig eine Grenze. Wenn ihr jedoch über die Hoopline auf der Seite geht, der ihr nicht zugeordnet seid, solltet ihr darüber nachdenken, ob das gerade so sinnvoll ist. Eigentlich verändern sich die Anforderungen auch nicht großartig, wenn ihr eine Seite alleine habt. Gerade dann solltet ihr natürlich darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist, eine Hoopline zu überqueren. Und ihr müsst natürlich viel mehr darauf achten, dass keine Beater in euren Rücken kommen, die beobachtet dann nämlich keiner. Ihr müsst euch auch darauf einstellen viel zu laufen. Die Beater sind gerade bei High-Level-Games bei jedem Angriff dabei. Ihr müsst es also auch sein.

Es gilt für alle Refs: ihr müsst euch bewegen und das ist anstrengend. Wenn ihr Ref-Slots zur Erholung nutzt, macht ihr es falsch. Refs haben keine Subs, Refs können kein Time-Out nehmen. Refs haben tendenziell mehr Slots als Spieler. Am vergangenen Wochenende hatte ich 14 Ref Slots. Spieler haben dagegen nur sechs bis sieben Spielen gehabt. Ich werde das Spiel um Platz drei vom WC 2016 auch nie vergessen. In den ersten 18 Minuten fand ich es langweilig, als SR am Rand zu sitzen. Am Ende des Spiels war ich einfach nur fertig. Chris (der HR) erzählte mir nach dem Spiel, dass er bezweifelte, dass er noch mehr als fünf Minuten durchgehalten hätte. Ref sein bedeutet sich zu bewegen. Liegen Spieler am Boden und kämpfen um einen Ball, müsst ihr hinrennen. Ein AR ist im Vergleich zu SR und HR weniger in Bewegung, aber trotzdem gilt: wenn ihr steht, macht ihr vermutlich etwas falsch. Aber natürlich auch hier: keine Regel ohne Ausnahme.

Ok, ich glaube, ich habe genug geredet. Ich freue mich, wenn ihr etwas Feedback gebt, insbesondere, ob ihr es interessant findet, so etwas zu lesen. Ich nehme natürlich auch gerne Vorschläge entgegen, worüber ich schreiben soll.

Gezeichnet,

Lord Commander

Editorial: Brooms Down ist eine Serie von Niklas Müller, der als zertifizierter Headref und Fieldtester auf Erfahrung aus nationalen und internationalen Turnieren zurückgreifen kann.

Hintergrund- und Artikelfoto: Ondřej Hujňák