Brooms Down III

Autorität

Sie betritt den Platz und jeder merkt direkt: sie beherrscht ihn auch. In jedem Spielzug ist sie dabei. Man könnte meinen ich rede hier über die Spielmacherin, aber eigentlich geht es um den Head Referee. Als HR sollte man niemals die Kontrolle über ein Spiel verlieren. Selbstbewusstsein auszustrahlen ist dabei meiner Meinung nach ein zentraler Aspekt. Aber nicht nur für HRs, sondern auch für Assistant und Snitch Referees ist es essentiell Autorität zu vermitteln und von den Spielern respektiert zu werden.

Warum? Ganz einfach, wenn euch die Spieler respektieren, sind sie weniger dazu geneigt eure Calls anzuzweifeln, sie zu ignorieren oder sich zu beschweren. Ihr habt auf diese Weise das Spiel besser unter Kontrolle und die Unterbrechungen sind nicht nur kürzer, sondern auch seltener.

Am wichtigsten ist sicherlich der Respekt des Speaking Captains. Wenn ein Speaking Captain merkt, dass ihr mit einer Entscheidung unsicher seid, wird er oder sie versuchen daraus einen Vorteil für das eigene Team zu ziehen. Das kommt natürlich nicht häufig vor, weil die meisten Speaking Captains genauso unsicher wie die Refs sind. Aber dennoch könnt ihr dadurch in eine Situation geraten, in der beide Speaking Captains auf euch einreden. Solltet ihr je in eine solche Situation kommen, denkt definitiv daran, dass ihr als HR durchaus das Recht habt, diese wegzuschicken (sowieso ein sehr angenehmes Recht). Dennoch ist es eine Situation, die ihr besser direkt vermeidet. Der Respekt der Speaking Captains hat aber noch einen weiteren positiven Effekt und zwar den, dass er meist den Respekt der Spieler mit sich bringt. Der Speaking Captain ist oft der erfahrenste Ref eines Teams und daher vertrauen die Spieler seinem Urteil.

Wahrscheinlich habt ihr schon oft genug gelesen oder gesagt bekommen, wie wichtig ein selbstbewusstes Auftreten ist. Natürlich ist eine solche Ausstrahlung nicht einfach sofort da. Ich will daher versuchen ein paar Tipps zu geben, was man so tun kann, um selbstbewusster zu wirken. Der Trick ist nämlich, dass man gar nicht selbstbewusst sein muss, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Es reicht völlig, wenn die anderen euch für selbstbewusst halten. “Fake it till you make it” ist hier ein sehr zutreffender Ausspruch.

  • Geht vorbereitet in eure Meetings. Nichts zeigt den anderen Spielern/Refs mehr, dass ihr unsicher seid, als ein Meeting in dem ihr herumdruckst und versucht euch an die Dinge zu erinnern, die besprochen werden müssen.
  • Achtet auf eure Körperhaltung. Eine aufrechte Körperhaltung lässt euch gleich viel selbstbewusster wirken. Insbesondere wenn ihr nicht so groß seid, ist es wichtig, Größe auszustrahlen. Wenn ihr zwei Meter groß seid und euch klein wie eine Maus mach, habt ihr auch nichts davon.
  • Seid euch bewusst, dass ihr die Autorität über die Spieler habt. Ihr trefft die Entscheidungen. Und nicht nur das, ihr seid für dieses Spiel eingeteilt, also hält euch zumindest der Referee-Koordinator für gut genug und darüber hinaus noch das RDT (Referee Development Team), da ihr ja zertifiziert seid. Das habt ihr vielen selbsterklärten Regelverstehern voraus.
  • Nutzt euer Stimmvolumen aus. Eine laute Stimme sorgt dafür, dass ihr gleich viel besser wahrgenommen werdet. Außerdem neigen unsichere Menschen dazu leise zu sprechen, daher wird Lautstärke oft mit Selbstsicherheit assoziiert. Achtet aber darauf nicht zu kreischen, damit erreicht ihr dann doch eher wieder das Gegenteil. Eure Tonlage muss also auch passen. Und noch ein Tipp: Wenn ihr tiefer sprecht, trägt eure Stimme besser und weiter.
  • Bestärkt andere Schiedsrichter. Ihr seht, dass jemand anderes nicht so richtig selbstbewusst ist? Dann sagt der Person doch einfach mal was Nettes. Vielleicht war die Bewegung top oder es gab etwas anderes, das wirklich gut war. Gebt dem Ref doch mal einen kleinen Selbstbewusstseinsboost.
  • Damit sind wir auch schon beim nächsten Punkt: Klare Anweisungen. Nicht rumdrucksen. Nicht zögern. Der Spieler war beat, schickt ihn direkt back-to-hoops und hofft nicht darauf, dass er schon von alleine absteigt. Ihr wollt als HR eine Karte geben? Geht zum Spieler und gebt die Karte. Lasst euch nicht davon abbringen. Aber was wenn ihr euch unsicher damit seid? Dafür gibt es andere Refs, mit denen ihr euch beraten könnt! Wichtig: ihr könnt euch beraten, aber lasst euch nicht sagen, was der richtige Call ist. Wenn ich zum Beispiel euer AR bin, bin ich natürlich gerne bereit euch zu sagen, was ich gesehen habe und wenn ihr mal nicht wisst, was der richtige Call ist, kann ich euch den natürlich auch sagen. Aber bitte lasst nicht jeden Call von mir bestätigen. Seid selbstsicher in euren Calls, ihr braucht keine Bestätigung dafür.
  • Bleibt bei euren Anweisungen. Seid nicht der AR, der die Hand für einen Call hebt und sich dann doch nur unauffällig am Kopf kratzt. Ihr glaubt das gibt es nicht? Weit gefehlt… auch wenn zugegebenermaßen die meisten sich das Kopf kratzen sparen und die Hand einfach so wieder sinken lassen.
  • Lest das Rulebook. Wenn ihr für jede Situation den entsprechenden Call und die Karte parat habt, könnt ihr in jeder Situation die richtige Entscheidung treffen.
  • Akzeptiert, dass Fehler passieren und lasst das nicht an eurem Selbstbewusstsein nagen. Das Rulebook ist voll von Grenzfällen und es gibt noch mehr. Es gibt Formulierungen, die für Muttersprachler klar zu sein scheinen und alle anderen mit einer völlig anderen Interpretation zurücklassen. Auf dem EQC 2018 gab es zum Beispiel einen Fall mit der protected Keeper-Regel. Wir waren drei erfahrene HRs mit drei verschiedenen Interpretationen davon, wann ein Keeper noch in seiner Keeper Zone ist. (Richtig ist nebenbei, dass er in seiner Zone ist, solange ein Teil seines Körpers den Boden in der Zone noch berührt und wenn es nur der kleine Zeh ist.) Solche Beispiele kann ich von ungefähr jedem Turnier bringen. Wir machen alle Fehler und das ist kein Grund, sich schlecht zu fühlen, sondern es beim nächsten Mal richtig zu machen. Ihr solltet euch also eigentlich besser fühlen, da ihr durch das neue Wissen ja auch besser seid.

Zum Abschluss noch ein paar mahnende Worte. Passt auf, dass eure Selbstsicherheit nicht in Arroganz umschlägt. Natürlich müsst ihr auf dem Feld, eine “ich-habs-drauf”-Ausstrahlung besitzen. Passt aber auf, dass diese euch nicht im Weg steht, wenn ihr euch verbessern wollt. Ihr werdet nie perfekt sein. Es wird immer jemanden geben, der euch noch was beibringen kann. Reflexion über die eigenen Fähigkeiten ist ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als das selbstbewusste Auftreten.

Gezeichnet,

Lord Commander

Editorial: Brooms Down ist eine Serie von Niklas Müller, der als zertifizierter Headref und Fieldtester auf Erfahrung aus nationalen und internationalen Turnieren zurückgreifen kann.

Hintergrund- und Artikelbild: Ajantha Abey Quidditch Photography